Vollversammlung 2019
HWK für Ostthüringen

Vollversammlung: Präsident warnt vor Verlust handwerklicher Strukturen

(07.11.2019) Neben der Wahl des künftigen Hauptgeschäftsführers standen die Zukunftsherausforderungen des Ostthüringer Handwerks im Mittelpunkt der jüngsten Vollversammlung der Handwerkskammer für Ostthüringen. Drei wesentliche Schwerpunkte sieht der Kammerpräsident: Nachwuchsgewinnung, Stärkung der Meister und die Unternehmensnachfolge.

Vor der Wahl des Hauptgeschäftsführers legte der Kammerpräsident in seinem Bericht gegenüber den Vollversammlungsmitgliedern die Entwicklung des Ostthüringer Handwerks in den zurückliegenden Monaten dar. Gleichzeitig machte er auf die drängendsten Zukunftsthemen aufmerksam.

Klaus Nützel ging auf die aktuelle konjunkturelle Entwicklung im Ostthüringer Handwerk ein, die sich, trotz einer leichten Verlangsamung des Wachstumsmotors immer noch als sehr gut darstellt. Doch trotz der insgesamt positiven Einschätzung durch die Mitgliedsbetriebe gibt es jede Menge politische und wirtschaftliche Faktoren, die dem Handwerk Sorgen bereiten.

Unsicherheit ist Gift für Wirtschaft

Aktuell ist hier die jüngste Landtagswahl in Thüringen zu nennen. Auch wenn die hohe Wahlbeteiligung zu einer Stärkung der Demokratie geführt hat, ist von einer langen Zeit der Regierungsbildung auszugehen. „Das macht es unseren Betrieben schwer, zu planen und Investitions- als auch Beschäftigungsentscheidungen zu treffen“, so Klaus Nützel. „Unsicherheit über das, was kommt, ist immer Gift für die Wirtschaft und unsere Betriebe.“

Ausbluten der Region verhindern

Eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre ist das Thema Unternehmensnachfolge. Von den derzeit rund 9.400 Handwerksbetrieben in Ostthüringen sind die Inhaber von 3.622 Betrieben 55 Jahre und älter. Das bedeutet, dass in den kommenden zehn Jahren 38,5 Prozent der Betriebe vor der Übergabe und somit der Suche eines Nachfolger stehen.

Zudem wollen viele potentielle Gründer keine größeren Betriebe übernehmen. „Schuld sind unter anderem die immer weiter zunehmenden bürokratischen Belastungen seitens der Politik“, erklärt der Kammerpräsident. So gibt es unter den Gründern mehr und mehr Klein- und Kleinstunternehmer. Hier brauche man eine gemeinsame Initiative von Politik und Wirtschaft, um das wirtschaftliche Ausbluten in den Regionen zu verhindern.

Der Grundstein für die künftigen Fachkräfte wird jedoch in der Ausbildung gelegt. Bis zum 30. Oktober diesen Jahres konnte 762 neue Lehrverträge abgeschlossen werden. Auch wenn dies ein leichter Zuwachs gegenüber dem Vorjahr ist, reicht dieser Bedarf bei weitem nicht.

Azubiticket und Tarifautonomie

Trotz aller Bemühungen der Handwerkskammer und der Betriebe bei der Akquirierung des Berufsnachwuchses, ist auch hier die Politik in der Pflicht. Ein positives Beispiel ist das Azubi-Ticket, das in diesem Jahr als Pilotprojekt gestartet wurde und im kommenden Jahr weitergeführt wird. „Ich hoffe, dass dann auch endlich der Landkreis Greiz seine Verweigerungshaltung aufgibt und sich, wie alle anderen Städte und Landkreise in Thüringen, an diesem Ticket beteiligt. Die Benachteiligung der Lehrlinge aus dem Landkreis Greiz muss ein Ende haben“, findet der Kammerpräsident klare Worte.

Aktuell ist zudem das Thema Mindestausbildungsvergütung, die im kommenden Jahr in Kraft treten soll. „Dieses Gesetz ist ein deutlicher Eingriff in die Tarifautonomie“, macht Klaus Nützel klar. Zwar sei die Idee dahinter gut, wieder mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung zu interessieren. Die Festlegung von Ausbildungsvergütungen müsse aber weiter Kernaufgabe der Tarifparteien sein. „Ansonsten ansonsten werden sich gerade kleine Betriebe aus der Ausbildung zurückziehen, einfach weil sie es sich nicht mehr leisten können“, warnt er. Die Kosten für eine dreijährige Ausbildung lägen schon jetzt im Schnitt bei rund 16.000 Euro.

Meistergründungsprämie als Ziel

Die 3. große Herausforderung ist die Forcierung der Meisterausbildung in Ostthüringen. Gerade mit Blick auf die Nachfolgethematik ist es wichtig, die Meisterausbildung als höchste Qualifikation im Handwerk zu intensivieren. Hier ist das Handwerk auf die Unterstützung der Politik angewiesen. Wünschenswert sei beispielsweise eine Meistergründungsprämie, wie es sie schon in einigen Bundesländern gibt und die sich zwischen 10.000 und 15.000 Euro bewegt.

Auch die richtungsweisende Entscheidung auf Bundesebene zur Wiedereinführung der Meisterpflicht in 12 Gewerken ist ein Schritt in die richtige Richtung. „Auf diesem Erfolg darf man sich jetzt nicht ausruhen, denn es gibt noch viele weitere Handwerksberufe, in denen wir die Wiedereinführung der Meisterpflicht fordern.“



Foto: Kammerpräsident Klaus Nützel bei seinem Bericht vor den Vollversammlungsmitgliedern zu en großen Herausforderungen der kommenden Monate und Jahre.