Erster gemeinsamer Empfang von Handwerkskammer und IHKMehr Wertschätzung für das Unternehmertum
Die Handwerkskammer für Ostthüringen sowie die Industrie- und Handelskammer Ostthüringen zu Gera hatten erstmalig gemeinsam zu einem Empfang der Ostthüringer Wirtschaft unter dem Motto „Starkes Netzwerk für eine starke Region“ in das IHK-Bildungszentrum in Gera eingeladen.
Zahlreiche Unternehmerinnen und Unternehmer aus Handwerk, Industrie und Handel nutzten diese Gelegenheit, um mit den Vertretern aus Politik und Kommunen in den Austausch zu gehen. Unter den Gästen waren beispielsweise Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt, die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Elisabeth Kaiser, Oberbürgermeister, Landräte, Bürgermeister und Wirtschaftsförderer der Region.
Ostbeauftragte sichert Stärkung der Region zu
Nach der Begrüßung durch die beiden Kammerpräsidenten Wolfgang Jacob von der Handwerkskammer für Ostthüringen und Dr. Ralf-Uwe Bauer von der Industrie- und Handelskammer Ostthüringen zu Gera betonte Elisabeth Kaiser in ihrem Grußwort, wie wichtig es sei, die Regionen in Ostdeutschland weiter zu stärken. Dafür wolle man auf Bundesebene beste Voraussetzungen schaffen, damit sich Unternehmertum entfalten kann und damit die Wirtschaft angekurbelt wird. Als Geraerin liege ihr die Region besonders am Herzen.
Schwerpunkt des Abends war jedoch eine Diskussionsrunde der beiden Kammerpräsidenten mit Thüringens Ministerpräsidenten. Die Wertschätzung für das Unternehmertum stand im Zentrum – flankiert von drei zentralen Themenfeldern, die Wirtschaft und Politik gleichermaßen bewegen: Standortentwicklung und Bürokratieabbau, Infrastruktur und Digitalisierung sowie die Fachkräftegewinnung und Unternehmensnachfolge.
Bürokratiestau an Beispielen plastisch deutlich gemacht
Während Ministerpräsident Mario Voigt verdeutlichte, was der Freistaat Thüringen bereits an Maßnahmen zum Bürokratieabbau in Angriff genommen hat, machte Kammerpräsident Wolfgang Jacob jedoch deutlich, welch überbordende Bürokratie und unverhältnismäßige Dokumentationspflichten die Wirtschaft belasten. Am Beispiel eines Fleischermeisters aus Saalfeld zeigte er ganz praktisch auf, unter welch ausufernder Bürokratie das Handwerk zu leiden hat. Herstellungsprotokolle, Temperaturprotokolle, Reinigungsprotokolle, Erhitzungsprotokolle – die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. „Vor allem unsere kleinen Betriebe verzweifeln an dieser Last, die ihnen die Zeit für ihr eigentliches Unternehmertum raubt“, so seine deutlichen und emotionalen Worte Richtung Politik unter dem Applaus der Anwesenden. Habe der Fleischermeister beispielsweise vor zehn Jahren noch 20 Minuten pro Tag für Dokumentationspflichten aufbringen müssen, seien es heute anderthalb Stunden. „Wir brauchen endlich Vertrauen in die Unternehmer statt sie unter Generalverdacht zu stellen“, so Jacob. Der Bürokratiemelder des Freistaates sei zwar von der Idee gut. Doch allein zu wissen, welche bürokratischen Hürden es gibt, reiche nicht aus. Es müssten diese Probleme endlich nicht nur angesprochen, sondern auch angepackt werden.
IHK-Präsident Dr. Ralf-Uwe Bauer untermauerte diese Beispiele für die Industrie bildlich anhand der Stadtwerke Jena, die allein 15.000 Vorschriften bzw. Nachweispflichten zu bewältigen haben.
Speicherkapazitäten und wettbewerbsfähige Strompreise
Notwendig ist aber nicht nur ein deutlicher und vor allem schneller Bürokratieabbau, sondern auch zügige Investitionen in die Infrastruktur und die Digitalisierung. Deutlich wurde hier in der Diskussion, dass das vorrangige Ziel der Ausbau von Speicherkapazitäten sein müsse. Zur Infrastruktur zählen für Kammerpräsident Wolfgang Jacob zudem wettbewerbsfähige Strompreise. Deshalb plädiert er dafür, nicht nur auf eine Industriestrompreissenkung zu setzen. „Diese ist nicht geeignet für den Mittelstand und das Handwerk. Wir brauchen dringend eine Strompreissenkung für alle und damit auch für die kleinen Handwerksunternehmen“, gab er dem Ministerpräsidenten mit auf den Weg.
Nicht zuletzt ging es in der Podiumsdiskussion auch um die dringend notwendige Fachkräftegewinnung sowie die Unternehmensnachfolge, um die Wirtschaftsstrukturen im Freistaat und damit auch in Ostthüringen zu erhalten. Gerade die Berufsorientierung spielt für das Handwerk als auch für die Industrie und den Handel eine immens wichtige Rolle. Deshalb sprachen sich Kammerpräsident Wolfgang Jacob und IHK-Präsident Dr. Ralf-Uwe Bauer für eine große Bandbreite an Berufsorientierungsmaßnahmen aus, um die Schülerinnen und Schüler auf das Berufsleben vorzubereiten.
Vielfalt an beruflicher Orientierung unabdingbar
Die Konzentration auf nur einen Baustein sei nicht zielführend, führte Wolfgang Jacob aus. „Die Berufsorientierung in den Bildungsstätten der Handwerkskammer hat sich als Erfolgsmodell über viele Jahre etabliert und muss weiter große Aufmerksamkeit und Förderung seitens der Landespolitik genießen. Der Tag der in der Praxis (TiP) sollte als zweiter Baustein etabliert werden, ohne Abstriche an anderer Stelle zu machen“, stellte er klar heraus. „Wir brauchen diese Vielfalt an Angeboten der Berufsorientierung, um möglichst vielen Jugendlichen eine Perspektive in der dualen Ausbildung zu eröffnen.“
In punkto Unternehmensnachfolge waren sich alle Beteiligten einig, dass das Jungunternehmertum oberste Priorität haben muss. Allerdings schrecke derzeit die Bürokratie und mangelnde gesellschaftliche Anerkennung Gründer und Nachfolger ab.
Am Ende der Diskussionsrunde betonten die beiden Kammerpräsidenten gegenüber dem Thüringer Ministerpräsidenten noch einmal, dass die sichtbare Wertschätzung für das Unternehmertum im Mittelpunkt stehen müsse. Dazu gehört vordergründig, dass politische Zusagen auch verlässlich umgesetzt werden.
Zimmerermeister mit Plädoyer für die Jugend
Wie es Jungunternehmer dennoch schaffen, sich am Markt zu etablieren, dafür steht Zimmerermeister Florian Liebold aus Wünschendorf. Er zeigte den rund 250 Gästen zum Wirtschaftsempfang auf, wie sich auch junge Menschen engagieren. Der heute 31-Jährige wagte 2018 den Schritt in die Selbstständigkeit und hat es bis heute nicht bereut. Mit einem jungen Team inklusive seiner Auszubildenden ist er ein Paradebeispiel dafür, dass auch die junge Generation Lust auf Unternehmertum hat und den Mut für diesen Schritt aufbringt. Er ermutigte die jungen Menschen. „Traut euch, euer eigenes Ding zu machen, neue Ideen umzusetzen und haltet dabei die alte Handwerkskunst in Ehren“, so der Zimmerermeister.
„Bleiben Sie offenen für frischen Wind. Glauben Sie an die Jugend und investieren Sie in die Aufrechterhaltung des Handwerks“, wandte er sich zudem an die erfahrenen Unternehmerinnen und Unternehmer. „Trauen Sie den jungen Menschen etwas zu. Unterstützern Sie sie. Geben Sie Chancen statt Grenzen. Denn Sie sind die Zukunft des Handwerks und des gesamten Wirtschaftsstandortes Thüringen“, so sein abschließendes und emotionales Plädoyer, dass bei den Gästen des Empfanges auf großen Beifall stieß.
Kontakte, Netzwerken und Einladungen
Der Abend wurde schließlich auch dazu genutzt, neue Kontakte zu knüpfen, Netzwerke aufzubauen, um so gemeinsam die Region voranzubringen. Dabei wurde auch manches Gespräch mit Politikern geführt, um Sorgen, Nöte und Ideen anzubringen. Auch der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Karsten Sachse, ergriff die Gelegenheit, um mit der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Elisabeth Kaiser, ins Gespräch zu kommen und vor allem das Thema von Investitionen in die Bildung vorzubringen. Er lud sie zu einem Besuch der Bildungsstätte der Handwerkskammer in Gera-Aga ein, um sich in der Praxis ein Bild von den Voraussetzungen der Bildungslandschaft in Ostthüringen zu verschaffen und um aufzuzeigen, wie wichtig hier entsprechenden Investitionen sind. Gut angelegtes Geld für eine Perspektive der Jugend in der Region und damit für gut ausgebildete Fachkräfte und eventuelle Unternehmensnachfolger.
Ein überaus gelungener Abend also, der im kommenden Jahr ebenfalls als gemeinsamer Empfang von Handwerk, Industrie und Handel aus ganz Ostthüringen eine Fortsetzung erfahren soll.
Titelbild: Die Podiumsdiskussion zum gemeinsamen Empfang der Ostthüringer Wirtschaft bestritten Handwerkskammerpräsident Wolfgang Jacob (li.), IHK-Präsident Dr. Ralf-Uwe Bauer (2.v.l.) und Thüringens Ministerprüäsident Dr. Mario Voigt unter der Moderation von Sina Peschke.