Titelbild Herbstumfrage 2021
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Herbstumfrage: Trotz leichtem Aufschwung ist Stimmung weiter getrübt

(19.10.2021) Nach dem Krisenjahr 2020 zeigt der Trend bei den Ostthüringer Handwerksunternehmen in diesem Jahr wieder langsam nach oben. So schätzen derzeit 90 Prozent der befragten Betriebe ihre derzeitige Geschäftslage als gut oder befriedigend ein - ein Anstieg gegenüber dem Herbst 2020 um drei Prozentpunkte, aber immer noch zwei Prozentpunkte unter dem Wert des Vor-Corona-Jahres 2019. Das geht aus der aktuellen Herbstumfrage der Handwerkskammer für Ostthüringen unter ihren Mitgliedsbetrieben hervor, an der 333 Mitgliedsbetriebe teilnahmen. Für die kommenden Monate bleiben die Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer eher zurückhaltend mit optimistischen Prognosen.

Mehr als anderthalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie nehmen fast alle handwerklichen Branchen wieder Fahrt auf, wie der Geschäftsklimaindex zeigt. Die Situation im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe, das noch am wenigsten unter den coronabedingten wirtschaftlichen Auswirkungen zu leiden hatte, bleibt weiter sehr robust. Im Geschäftsklimaindex deutlich zulegen konnten im Vergleich zum Herbst 2020 zudem das Nahrungsmittelhandwerk mit plus 17 Prozentpunkten, das Gesundheitsgewerbe mit plus 12 Prozentpunkten sowie die personenbezogenen Dienstleistungen mit plus neun Prozentpunkten. Das Kraftfahrzeuggewerbe stagniert auf dem Wert des Jahres 2020.

Umsatzentwicklung und Auftragsvorlauf mit positiver Tendenz

Der konjunkturelle Aufschwung spiegelt sich auch in der Umsatzentwicklung der Unternehmen wider, die im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozentpunkte höher ausfällt. 85 Prozent der Ostthüringer Handwerksunternehmen sprechen von gestiegenen oder gleichgebliebenen Umsätzen. Der größte Umsatzzuwachs im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist mit 27 Prozent bei den personenbezogenen Dienstleistungen sowie mit 21 Prozent beim Handwerk für den gewerblichen Bedarf zu verzeichnen.
Ebenso gibt die derzeitige Auftragslage Hoffnung auf eine Festigung des Aufschwungs. Der Auftragsbestand über alle Branchen hinweg liegt derzeit bei zehn Wochen, zwei Wochen mehr als noch vor Jahresfrist. Spitzenreiter sind nach wie das Bauhaupt- und das Ausbaugewerbe mit 16 bzw. 12 Wochen. Aber auch das Handwerk für den gewerblichen Bedarf mit neun Wochen, die personenbezogenen Dienstleister mit acht Wochen sowie das Kfz- und Nahrungsmittelhandwerk mit jeweils 5 Wochen konnten deutlich zulegen.
Die Investitionsbereitschaft der Handwerksbetriebe ist im Vergleich zum Vorjahr dagegen leicht gesunken. Knapp 41 Prozent haben entweder Ersatz-, Rationalisierungs- oder Erweiterungsinvestitionen vorgenommen – ein Rückgang um vier Prozentpunkte. Durch die weiterhin unsichere Corona-Lage üben sich die Unternehmen in Zurückhaltung.

Materialpreise und Energiekosten explodieren

Ein weiterer Grund für diese Zurückhaltung der Betriebe bei Investitionen liegt mit Sicherheit auch in einem deutlichen Anstieg der Einkaufspreise. Insbesondere durch Preisexplosionen bei Rohstoffen und Energie sowie durch Lieferengpässe werden kostenintensive Investitionen zurückgestellt. So sind bei 82,5 Prozent der Unternehmen die Preise im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, ein Zuwachs um 33,8 Prozentpunkte. Die gestiegenen Einkaufspreise konnten jedoch nur bei der Hälfte der Betriebe durch die Erhöhung der Verkaufspreise kompensiert werden.
Daher ist auch in punkto Beschäftigungspolitik der Ostthüringer Handwerksunternehmen eine bleibende Unsicherheit zu verzeichnen. Der Großteil der Betriebe hielt an seinen Beschäftigten fest. Allerdings musste auch jeder 11. Betrieb Stellen abbauen. Vor allem im Nahrungsmittelhandwerk reduzierten 14 Prozent der Betriebe ihre Mitarbeiterzahl. Erfreulich ist dagegen, dass im Gesundheitsgewerbe fast jedes 5. Unternehmen Neueinstellungen vornehmen konnte.
Ihre Geschäftsaussichten für die kommenden Monate schätzen die Ostthüringer Handwerksunternehmen trotz des jetzigen leichten Aufschwungs eher zurückhaltend ein. So erwarten nur 10,7 Prozent der Handwerksunternehmen eine sich verbessernde Geschäftslage. Ein Grund sind auch hier die hohen Kosten für Rohstoffe und Energie. Knapp 83 Prozent der befragten Unternehmen erwarten in den kommenden Monaten hier einen weiteren Anstieg. Lediglich im Nahrungsmittelhandwerk mit 28,6 Prozent und dem Kraftfahrzeuggewerbe mit 17,2 Prozent sowie den personenbezogenen Dienstleistungen mit 13,6 Prozent wird eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr erwartet.

Preisauftrieb gefährdet den Aufschwung

„Das Ostthüringer Handwerk nimmt nach den Auswirkungen der Coronakrise langsam wieder Fahrt auf“, so Wolfgang Jacob, Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen. Dennoch sei eine Rückkehr zu den guten Zahlen aus den Vorjahren noch nicht in Sicht. „Insbesondere die gravierenden Kostensteigerungen bei Rohstoffen und Energie sind derzeit Gift für einen nachhaltigen Aufschwung“, erklärt der Kammerpräsident. Ein erster wichtiger Schritt zum Gegensteuern sei dabei der Wegfall der EEG-Umlage, die gerade kleinere energieintensive Handwerksunternehmen massiv belastet. Aber auch die steigenden Kraftstoffpreise setzen den Handwerksbetrieben zu, zumal eine Umlage der gestiegenen Kosten auf den Endverbraucher nicht in jedem Fall möglich ist.
Gleichzeitig sind Materialengpässe und gestiegene Materialkosten ein großes Problem für viele Handwerksunternehmen, da dies zu Verzögerungen bei der Auftragsabarbeitung führt und vor allem bei laufenden Verträgen höhere Einkaufspreise nicht einfach an die Kunden durchgereicht werden können. Während Privatkunden oftmals Verständnis für gestiegene Materialpreise zeigen, gestaltet sich die Situation bei öffentlichen Aufträgen schwieriger. „Die öffentliche Hand verweigert sich immer noch zu stark der sogenannten Preisgleitklausel, nach der Handwerksunternehmen während der Auftragslaufzeit gestiegene Materialkosten in die Abrechnung einfließen lassen können. Hier muss schnellstmöglich ein Entgegenkommen der öffentlichen Auftraggeber her. Ansonsten kann es passieren, dass die öffentliche Hand bald keine Handwerker mehr für ihre Ausschreibungen findet“, warnt der Kammerpräsident.

Gegen den Fachkräftemangel: Attraktivität der dualen Ausbildung stärken

Ein weiteres Problem ist der massive Fachkräftemangel. „Die Auftragsbücher unserer Handwerksbetriebe sind voll – doch es fehlt an ausreichend Fachkräften“, so Wolfgang Jacob. Hier muss die Politik entsprechende Anreize setzen. Dies beginn bereits beim Thüringer Azubi-Ticket. Es trägt seit Jahren deutlich zu einer Attraktivitätssteigerung der dualen Berufsausbildung bei, entlastet die Azubis spürbar und wirkt der Fachkräfteabwanderung entgegen. „Das Ticket hat sich bewährt. Jetzt gilt es, eine Verstetigung seitens des Landes ab dem Jahr 2022 festzulegen, ohne die Handwerksunternehmen mit einer weiteren Kostenbeteiligung zu belasten“, erklärt der Kammerpräsident.

Warnung vor Steuererhöhungen

Abschließend warnt Kammerpräsident Wolfgang Jacob eindringlich davor, weiter an der Steuerschraube zu drehen. „In den jetzigen Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene müssen Steuererhöhungen, wie versprochen, unbedingt tabu sein“, macht er deutlich. „Das schließt auch die Kosten für Sozialversicherungsbeiträge ein.“ Nur so könne man die Investitionsfreudigkeit der Betriebe vorantreiben, was für einen weiteren Aufschwung unabdingbar sei. Die finanzielle Belastung der Handwerksunternehmen ist schon jetzt auf einem nicht mehr zu vertretenden Maß. „Die neue Bundesregierung muss sich an ihren Versprechen messen lassen. Nur so kann auch das Handwerk in Ostthüringen den Konjunkturmotor, der in der Coronakrise mehr als nur ins Stocken geraten ist, wieder zum richtigen Laufen bringen“, so Kammerpräsident Wolfgang Jacob abschließend.



Titelbild: Auch wenn das Ostthüringer Handwerk, vor allem das Bauhandwerk, wieder deutlich Fahrt aufnimmt, so trüben doch dunkle Wolken den weiteren Aufschwung. Insbesondere die extrem hohen Material- und Energiekosten bremsen den Optimismus für die kommenden Monate.