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HWK für Ostthüringen

Yusuf Darici legt 3.300 km von Gaziantep nach Rudolstadt für eine Ausbildung im Handwerk zurückGrenzüberschreitende Zukunftspläne

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie sind 18 Jahre jung und Träumen von einer Zukunft, in der Sie einen Handwerksberuf von der Pike auf erlernen. Leider hat Ihr Traum aber einen Haken. Der Wohnort, in dem Sie leben, liegt keine 100 km von Tod und Zerstörung entfernt. Und auch Ihr Heimatland bietet keine Möglichkeit, einen qualifizierten Handwerksberuf zu erlernen. Also entscheiden Sie sich für Ihren Traum und nehmen einen Weg von 3.300 km auf sich, um endlich eine Ausbildung beginnen zu können.

Diese Vorstellung ist der Werdegang des heute 22-jährigen Yusuf Darici aus Gaziantep in der Türkei, welches im Grenzgebiet zu Syrien liegt. Mit 18 nach Deutschland zu gehen, dies war im Juli 2020.

Sieben Jahre besuchte Yusuf die Regelschule in seiner Heimatstadt. Schon früh wusste er, dass er seine berufliche Zukunft im Handwerk finden würde.  So arbeitete er zunächst nebenbei in einer kleinen Tischlerei in Gaziantep. Das Arbeiten mit dem Werkstoff Holz war aber nicht die Erfüllung für Yusuf. Hinzukommt das es eine duale Ausbildung, wie sie in Deutschland abläuft, nicht in der Türkei gibt. Zwar wurde ein Gesetz zur dualen beruflichen Ausbildung durch den Staat im Jahre 1987 eingeführt, dennoch fehlt es vor allem in handwerklichen Berufen an organisiertem, theoretischem und fachkundlichem Know-how in den Handwerksbetrieben. Genau dieser Punkt, sein Handwerk von Grund auf theoretisch zu verstehen und praktisch korrekt auszuführen, fehlte dem jungen Türken in seinem Heimatland in Gänze.
So entschloss sich Yusuf Darici für einen drastischen Schritt. Er ließ seine Familie zurück und ging alleine nach Deutschland. Hier wurde er aber zunächst von den deutschen Behörden in einer Gemeinschaftsunterkunft in Rudolstadt untergebracht.

Hilfe aus den eigenen Reihen

Gemeinsam mit fünf weiteren Personen lebte er nun auf engstem Raum. An Privatsphäre war nicht zu denken und die Chance, eine handwerkliche Ausbildung zu beginnen, rückte zunächst in weite Ferne. Yusuf begann im Rahmen des Integrationsprogramms die deutsche Sprache zu lernen. Über seine Fortschritte meint er: „Ich verstehe die deutsche Sprache sehr gut und kann auch darauf reagieren. Leider hängt es noch am Schreiben.  Da bleibe ich aber dran und lerne, damit auch das noch besser wird.“
Stets unterstützt haben ihn auch seine Mitbewohner der Gemeinschaftsunterkunft. So schrieb einer von ihnen den Integrationsberater der Handwerkskammer für Ostthüringen, Jan Schneider, an. Dieser vermittelt im Rahmen des Projekts „FIF - Förderung von Integration durch Fortbildung“, Migranten und Ausländer in Ausbildung und Arbeit im Handwerk. „Zunächst haben wir gemeinsam herausgefunden, wo seine handwerklichen Stärken liegen und was er sich für seine Zukunft wünscht. Im Anschluss daran wurde ich auf Stellengesuchen der Firma Freese Fußbodentechnik GmbH aufmerksam, welche schlussendlich auch der Ausbildungsbetrieb geworden ist. Hier macht Yusuf Darici nun eine zweijährige Ausbildung zum Ausbaufacharbeiter mit dem Schwerpunkt Estricharbeiten.“

Für den Handwerksbetrieb aus Rudolstadt, welcher sich unter anderem auf Terrazzo, Design- und Industrieestrich spezialisiert hat, ist der junge Türke nicht der erste Migrant, welcher im Unternehmen Fuß fasst. „Der deutsche Ausbildungsmarkt mit potenziellen Auszubildenden ist in unserem Bereich wie leergefegt. So mussten wir schließlich umdenken. Unsere ausländischen Azubis bringen sehr viel Enthusiasmus und einen großen Willen, sich zu integrieren mit. Sie brennen für ihre Arbeit und dies schätzen wir sehr und unterstützen wir natürlich auch“, so die Ausbildungsbeauftragte Jeanette Wimmer von der Freese Fußbodentechnik GmbH.

Von dieser Unterstützung ist auch Yusuf sichtlich angetan: „Ich bin sehr dankbar über die Hilfe meines Betriebs, meiner Kollegen, der Meister und Ausbilder in der Bauhalle der Handwerkskammer, aber auch über die Hilfe von Herrn Schneider. Dafür möchte ich mich bedanken. Er hat mir unter anderem bei Amtsgängen geholfen, wichtige Dokumente auszufüllen, aber auch die Möglichkeit gegeben, aus der Gemeinschaftsunterkunft auszuziehen.“ Integrationsberater Jan Schneider ergänzt: „Nach deutschem Recht steht einem Migranten zu, aus einer Unterkunft auszuziehen, wenn er eine Ausbildung beginnt. Daher habe ich Herrn Darici geholfen, einen Internatsplatz zu finden.“ Mittlerweile hat Yusuf sogar seine eigene kleine Wohnung in Rudolstadt und kann sich somit ganz ungestört auf seine Ausbildung konzentrieren.

Große Pläne für die Zukunft

Mit seiner Ausbildung im Ostthüringer Handwerk hat sich der 22-jährige Türke nun seinen beruflichen Traum erfüllen können. Doch davon noch nicht genug, erhofft sich der junge Mann noch mehr von seiner Zukunft: „Ich möchte nach den zwei Jahren der Ausbildung zum Ausbaufacharbeiter noch ein Jahr verlängern, um Estrichleger zu werden. Und danach würde ich gerne meine Meisterschule anhängen.“
Yusuf ist bewusst, dass er für seine Ziele noch viel lernen muss, sei es beruflich als auch sprachlich. Dennoch hat er einen starken Willen und brennt für sein Handwerk, was ihn hoffentlich schlussendlich auch an das Ziel seiner Pläne bringen wird.



Titelbild: Yusuf Darici (re.) hat mit Hilfe des Integrationsberaters Jan Schneider von der Handwerkskammer für Ostthüringen seine Ausbildung zum Ausbaufacharbeiter bei der Firma Freese Fußbodentechnik GmbH in Rudolstadt gefunden.