Vorstand _Grenze der Belastbarkeit erreicht
HWK für Ostthüringen

Handwerker drängen auf effektive wirtschaftspolitische Verbesserungen – Handwerkskammer unterstützt mit verschiedenen Aktionen Grenze der Belastbarkeit ist schon lange überschritten

Nicht nur die Ostthüringer Handwerksunternehmen leiden unter immer weiter ausufernder Bürokratie, immensen finanziellen Belastungen, Auftragsrückgängen, hohen Energiekosten und nicht zuletzt einer fehlenden Wertschätzung der Politik für die Leistungen der rund 43.000 Handwerkerinnen und Handwerker in Ostthüringen.

Der Unmut in den Unternehmen wird immer größer. Was mit den Bauernprotesten Anfang des Jahres begann, hat kurz darauf auch das Handwerk erreicht. In unzähligen Städten und Gemeinden haben sich die Ostthüringer Handwerksunternehmen den Protesten der Bauern angeschlossen oder eigene Demonstrationen gestartet – sei es in Form von Kundgebungen, Autokorsos oder ähnlichem.

 

Zeit, zu machen, ist endlich gekommen

Die Handwerkskammer für Ostthüringen begrüßt ausdrücklich das Engagement der Handwerkerinnen und Handwerker – sind es doch die Forderungen, die Wolfgang Jacob, Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen, schon seit langer Zeit immer wieder vehement an die Politik richtig.  „Die letzten Wochen haben gezeigt, dass viele unserer Handwerkerinnen und Handwerker genau diese Forderungen unterstützen“, so der Kammerpräsident. „Mit den momentanen Aktionen wird jetzt gezeigt, dass gemeinsam mehr erreicht werden kann. Hier sollten wir am Ball bleiben, um unsere Forderung als starker handwerklicher Mittelstand durchzusetzen.“

Bundesweit steht der Slogan „Zeit, zu machen“ jetzt für die Forderungen das Handwerk. Folgende vier Punkte spiegeln die Kernthemen wider: Belastungen stoppen, Bürokratie abbauen, bezahlbare Energie und Leistung wertschätzen.

 

Arbeit muss sich lohnen – Belastungen stoppen

Die finanziellen Belastungen im Handwerk nehmen mehr und mehr überhand. Ein Grund dafür ist die Staatsquote – also das Verhältnis zwischen dem Geld, das der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben ausgibt, und dem, was seine Bürger erwirtschaften, also dem Bruttoinlandsprodukt. „Die Staatsausgaben steigen stetig an, ohne dass ein Mehrwert für diejenigen entsteht, die diese Gelder tagtäglich erarbeiten. Vielmehr fließen ungeahnte Summen in den Sozialhaushalt – Stichwort Bürgergeld“, kritisiert Kammerpräsident Wolfgang Jacob. Das führt dazu, dass sich Arbeit immer weniger lohnt. Erste Handwerksunternehmer, beispielsweise aus dem Gebäudereinigerhandwerk, haben bereits Kündigungen von ihren Mitarbeitern erhalten, die dann lieber Bürgergeld beziehen und nebenbei (oftmals in Schwarzarbeit) ihre Haushaltskasse aufbessern. Unterm Strich habe diese dann am Monatsende mehr Geld zur Verfügung als ein Handwerker, der 40 Stunden die Woche arbeitet. 

 

Mehr Netto vom Brutto sorgt für echte Entlastung

Mehr Netto vom Brutto kann hier nur die Lösung lauten. Deshalb die klare Forderung aus dem Handwerk: runter dem den Steuern und Lohnnebenkosten und härtere Sanktionen gegen diejenigen, die den Sozialstaat nur ausnutzen. „Bei Steuern und Abgaben sind wir in Deutschland Spitzenreiter und der Staat kommt damit nicht klar. Bei solch einem Wirtschaften hätte jeder Betrieb schon Insolvenz anmelden müssen. Das kann so nicht weitergehen und treibt die Inflation in immer neue Dimensionen. Deshalb gehören diese Einnahmen des Staates endlich auf den Prüfstand“, erklärt Wolfgang Jacob.

Kai Krämer, Inhaber der Firma Planen Krämer in Rothenstein, ist einer der vielen Handwerker, die Angst um ihre Zukunft haben und deshalb immer wieder auf die Straße gehen. Er hat ganz klare Forderungen. „Die Gewerbesteuer gehört um 50 Prozent gesenkt. Auch die Einkommenssteuer muss halbiert oder der Freibetrag von 27.500 Euro auf 50.000 Euro erhöht werden.“, so Kai Krämer. Um Privatkunden Anreize zu geben, schlägt er außerdem eine Absenkung der Mehrwertsteuer bei Lohnarbeiten von 19 auf 7 Prozent vor.

Für den Handwerksunternehmer ist es durch die immensen Belastungen kaum möglich, Rücklagen zu bilden. „Ich befürchte, später in die Altersarmut abzurutschen, da ein Rentenkonzept wegen der Planungsunsicherheit durch Corona, Inflation, den Kriegen in der Ukraine und Israel und einer Depression der gesamten Wirtschaft nicht zu realisieren ist“, macht er sich Zukunftssorgen.

Solche Beispiele gibt es im Ostthüringer Handwerk zur Genüge. Genau deshalb müssen die Belastungen runter, und zwar massiv.

 

Ausufernde Bürokratie lähmt produktives Arbeiten

Eine weitere große Forderung des Handwerks ist, endlich Bürokratie abzubauen. „Das haben uns die Politiker immer wieder versprochen. Doch passiert ist nichts. Im Gegenteil; die bürokratischen Hürden und Auflagen wachsen und wachsen“, macht Kammerpräsident Jacob seinem Unmut Luft.

Immer neue Formulare, Berichts-_ und Dokumentationspflichten sowie neue Verordnungen lähmen das Handwerk. „Wir brauchen endlich eine deutliche Entflechtung des Paragraphendschungels“, fordert Wolfgang Jacob. Aus diesem Grund hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks in enger Zusammenarbeit mit den Handwerkskammern und Verbänden eine Stellungnahme zum geplanten Bürokratieentlastungsgesetz IV erarbeitet, in dem umfangreiche Vorschläge unterbreitet werden. Beispiele dafür sind unter anderem: Vereinfachungen bei öffentlichen Ausschreibungen, Verkürzung von Aufbewahrungsfristen, Abschaffung der Vorauszahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Ausnahmeregelungen für Kleinunternehmen beim Verpackungsgesetz, pragmatische Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen bei der Haltungs- und Herkunftskennzeichnung (z.B. Fleischerhandwerk), Verbesserung der Fahrpersonalverordnung oder Verschlankung von Dokumentationspflichten. Die Aufzählung ließe sich noch weiter fortsetzen. Daran wird deutlich, dass hier endlich gehandelt statt nur diskutiert werden muss. „Unsere Handwerker verdienen ihr Geld mit harter Arbeit und nicht mit dem Ausfüllen von Formularen und vielen weiteren bürokratischen Unsinnigkeiten“, stellt der Kammerpräsident klar.

 

Energiewende muss auch bezahlbar sein

Das Thema der hohen Energiepreise treibt das Handwerk schon seit vielen Monaten um.  Ganz klar ist, dass das Handwerk zur Energiewende steht. Kein anderer Wirtschaftszeig hat so viele Klimaberufe wie das Handwerk. „Beim Thema Energiewende muss aber mit Augenmaß und Sachverstand vorgegangen werden. Was wir bisher seitens der Politik erleben, ist ein Desaster“, schätzt Kammerpräsident Jacob die momentane Situation ein. „Das Heizungsgesetz ist ein wahrer Rohrkrepierer und gehört in der jetzigen Form auf Eis gelegt. So wie dieses Gesetz sind viele weitere Regelungen der Bundesregierung ein Schnellschuss ohne die Folgen zu berücksichtigen.“

Mit der übereilten Abschaltung der Atomkraftwerke hat die Regierungskoalition in Berlin dafür gesorgt, dass keine wirklichen Alternativen bei Versorgungsengpässen bereitstehen, während andere Länder wie Frankreich und Tschechien weiter auf Atomenergie setzen und weitere Kraftwerke bauen. „Die grüne Ideologie hat zur Folge, dass die Strom- und Gaspreise einer Achterbahnfahrt gleichen. Für viele unsere Betriebe gehen die zusätzlichen Belastungen in die tausende oder zehntausende. Sichere verlässliche und vor allem bezahlbare Stromversorgung muss daher die Devise lauten“, erklärt der Kammerpräsident und fordert erneut eine deutliche Absenkung der Stromsteuer.

 

Handwerk als Mittelstandsmotor begreifen

Das Handwerk in Ostthüringen und gesamt Deutschland ist der Wirtschaftszweig, der regional verwurzelt für Wertschöpfung sorgt, nah am Verbraucher ist, für Zusammenhalt sowohl im städtischen als auch ländlichen Raum steht und zehntausenden Menschen einen sicheren Arbeitsplatz garantiert. „Das aber scheint die Politik vergessen zu haben. Wir brauchen endlich wieder eine echte Wertschätzung für das, was unsere Handwerkerinnen und Handwerker Tag für Tag leisten. Denn ohne das Handwerk würden ein Leben, wie wir es kennen, nicht mehr existieren“, warnt Jacob. Deshalb sei es in der jetzigen Zeit umso wichtiger, dem Handwerk den Rücken zu stärken und auf von Seiten der politischen Entscheider jeden Tag aus Neue deutlich zu machen, wie wichtig das Handwerk für die Gesellschaft ist. „Doch das lässt sich nicht nur mit Lippenbekenntnissen der Politik umsetzen. Den vollmundigen Worten müssen nun endlich auch echte Taten folgen. Denn ohne das Handwerk und die dringend benötigten Fachkräfte wird im wahrsten Sinne des Wortes dunkel im Land.“ Es fehlen immer mehr Auszubildende, die späteren Gesellen und damit irgendwann auch die Meisterinnen und Meister, die neue Handwerksbetriebe gründen oder bestehende übernehmen. Schon jetzt gibt es in vielen Berufen – gerade im Nahrungsmittelhandwerk – massiv rückläufige Betriebszahlen. Damit ist vor allem im ländlichen Raum die Versorgungssicherheit in akuter Gefahr. Gleiches gilt auch für das Gros der anderen Handwerksberufe. „Das Handwerk muss endlich wieder ganz oben auf der Agenda stehen“, mahnt Wolfgang Jacob.

 

Weitere Aktionen vom und für das Handwerk

„Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Schmerzgrenze für die Handwerkerinnen und Handwerker erreicht ist. Unsere Betriebe sind am Limit, was die finanziellen und bürokratischen Hemmnisse betrifft. Ich bin mir sicher, dass die jetzigen Protestaktionen erst der Anfang waren, wenn nicht in kürzester Zeit ein wirkliches wirtschaftspolitisches Umdenken einsetzt“, warnt der Kammerpräsident.

Neben der bundesweiten Protestaktion des Handwerks und der Ende Februar zu Ende gegangenen Postkartenaktion, zu der aus ganz Deutschland die Forderungen des Handwerks an das Bundeskanzleramt gesendet werden konnten, gibt es weiterhin zahlreiche Kundgebungen und Fahrzeugkorsos der Handwerkerinnen und Handwerker in Ostthüringen.

Zudem haben die vier großen Wirtschaftsverbände in Deutschland, darunter der Zentralverband des Handwerks, einen Brandbrief an Bundeskanzler Scholz mit einem Zehn-Punkte-Forderungskatalog gerichtet. Zu den Forderungen zählen auch hier unter anderem Entbürokratisierung, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, konkurrenzfähige Strompreise, das Angehen einer Steuerreform oder auch die Fachkräftesicherung. Das zeigt, dass die gesamte deutsche Wirtschaft den Druck auf die Bundesregierung deutlich erhöht.

Die Handwerkskammer unterstützt auch weiterhin die Handwerksunternehmen bei ihren öffentlichen Forderungen nach einer echten wirtschaftlichen Wende. „Egal ob Materialien wie Fahnen, Plakate oder organisatorischer Hilfestellung – wir als Handwerkskammer stehen an der Seite der Handwerker, wenn es um die Durchsetzung dieser berechtigten Forderungen geht, versichert Wolfgang Jacob.

 

Politischer Dialog weiter unverzichtbar

Aber auch abseits dieser Proteste ist es wichtig, weiter den Kontakt zu den politischen Entscheidern zu halten, um in Gesprächen die Probleme und Vorschläge an die richtigen Stellen zu bringen. Es werden sowohl regional in den Städten und Landkreisen wie auch auf Landesebene wirtschaftspolitische Gespräche geführt. So sind beispielsweise in den nächsten Monaten im Vorfeld der Landtagswahl in Thüringen Veranstaltungen mit allen zur Wahl stehenden Parteien geplant. Es ist wichtiger denn je, frühzeitig vor der Wahl die Forderungen des Handwerks auch in die Parteiprogramme zu bringen. Noch wichtiger ist es jedoch, dann auch zu kontrollieren, ob die getroffenen Aussagen auch wirklich umgesetzt werden. „Hier werden wir gemeinsam mit unseren Handwerkerinnen und Handwerkern ständig wieder den Finger in die Wunde legen“, versichert Wolfgang Jacob.

Hierfür ist die Handwerkskammer für Ostthüringen jederzeit für Anregungen, Hinweise und eventuell weitergehende Forderungen aus dem Handwerk dankbar. Entsprechende Ausführungen sind ganz einfach per E-Mail an kommunikation@hwk-gera.de zu richten. Natürlich sind unter dieser Mailadresse auch Leserbriefe zur Veröffentlichung in der Deutschen Handwerkszeitung jederzeit willkommen.

 

Titelbild: Der Vorstand der Handwerkskammer für Ostthüringen mit den verschiedenen Plakaten und Postkarten zu den Forderungen des Handwerks: Die Vorstandsmitglieder Thomas Roth und Ulf-Michael Stauch, Arbeitnehmer-Vizepräsident Marcus Glaser, Kammerpräsident Wolfgang Jacob, Vorstandsmitglied Heidi Hoffmann und Arbeitgeber-Vizepräsident Udo Ritter (v.l.). Foto: André Kühne