
Vollversammlung tagte letztmalig vor NeuwahlenDankeschön zum Abschied nach fünf Jahren
Die jüngste Vollversammlung der Handwerkskammer für Ostthüringen war eine ganz besondere – die letzte in der aktuellen Wahlperiode, bevor im November 2025 nach erfolgreicher Wahl die konstituierende Sitzung der dann neuen Vollversammlung stattfindet.
Deshalb nutzte Kammerpräsident Wolfgang Jacob gleich zu Beginn die Gelegenheit, um sich im Namen des Vorstandes und der Geschäftsführung der Handwerkskammer für Ostthüringen bei den Vollversammlungsmitgliedern für ihre ehrenamtliche Arbeit in den zurückliegenden fünf Jahren zu bedanken.
„Sie sind es, die mit den getroffenen Beschlüssen die Geschicke der Handwerkskammer und des gesamten Ostthüringer Handwerks maßgeblich mitbestimmt haben. Es waren fünf aufregende Jahre, die durch zahlreiche Krisen, wie beispielsweise die Corona-Pandemie oder den Ukrainekrieg geprägt waren und immer noch sind. Diese Krisen haben auch im Ostthüringer Handwerk Spuren hinterlassen, die Sie mit Ihrer Arbeit versucht haben, abzumildern,“ so Wolfgang Jacob an die Vollversammlungsmitglieder gerichtet.
In seinem anschließenden Bericht ließ er die Arbeit der Handwerkskammer in den zurückliegenden Monaten noch einmal Revue passieren. Gerade mit Blick auf die zahlreichen Herausforderungen griff er dabei vier absolute Themenschwerpunkte auf: notwendige Kostenentlastungen, den Bürokratieabbau, die Fachkräftesicherung sowie die Nachwuchsgewinnung.
Dringendes Gebot: Senkung der Lohnnebenkosten
Die Kostenlast für die Betriebe hat ungeahnte Ausmaße angenommen. So sei die ursprüngliche Zusage, die Sozialversicherungsbeiträge unter 40 Prozent zu halten, ist längst vergessen. Experten prognostizieren bis 2035 Beiträge von bis zu 51,2 Prozent – mehr als die Hälfte des Bruttogehalts. Der Keil zwischen Brutto und Netto wird nicht nur breiter – er wird zu einem unüberwindbaren Graben.
Auch wenn Themen wie das der Sozialversicherungsbeiträge nicht auf Landesebene entschieden werden können, so hat die Handwerkskammer in den vergangenen Monaten seit Bildung der neuen Regierung in Thüringen zahlreiche Gespräche mit den politischen Entscheidern geführt. Egal ob mit Ministerpräsident Dr. Mario Voigt, mit der neuen Thüringer Wirtschaftsministerin Colette Boos-John, die Ende Juni die Bildungsstätte in Gera-Aga besucht, oder vielen anderen.
Gespräche auf Landesebene werden fortgesetzt und forciert
„Unser Ziel dieser Gespräche war und ist es, die Landespolitik für die Probleme des Handwerks zu sensibilisieren und sich auch auf Bundesebene für unsere Forderungen stark zu machen“, erläutert Wolfgang Jacob.
Stillstand wird es hier auch in den kommenden Monaten nicht geben. Eine Vielzahl von Terminen sind bereits gesetzt, so zum Beispiel am 14. August mit Thüringens Umweltminister Tilo Kummer ebenfalls in der Bildungsstätte in Gera-Aga, zu allen Fragen zu den Herausforderungen der Energiewende und der Beteiligung des Handwerks. Außerdem ist am 20. August eine Sommertour mit Ministerpräsident Dr. Mario Voigt geplant, bei der auch Ostthüringer Handwerksunternehmen besucht werden sollen.
Handwerksarbeit statt Formulare und Berichtspflichten
Vor allem drückt die immer noch immens hohe Bürokratielast auf die Stimmung im Handwerk. Bundesweit beziffern mehr als 50 Prozent der Betriebe den wöchentlichen Zeitaufwand für Bürokratie mit sechs und mehr Stunden.
„Wir füllen Formulare aus, wir dokumentieren Prozesse, wir führen Nachweise. Was wir täglich erleben, ist eine regelrechte Misstrauenskultur gegenüber unseren Betrieben. Ständige Prüfungen und Kontrollen, überbordende Vorschriften und immer neue Berichtspflichten – als wären wir Großkonzerne mit eigenen Rechtsabteilungen“, macht Kammerpräsident Wolfgang Jacob die Situation deutlich.
Deshalb die erneute ganz klare Forderung des Kammerpräsidenten: Weg mit überflüssigen und zeitraubenden bürokratischen Aufgaben. Gleichzeitig macht er folgenden Vorschlag: einfach einmal alle Berichtspflichten für ein Jahr aussetzen und schauen, was passiert. Wolfgang Jacob ist überzeugt: Die Welt würde sich weiterdrehen – aber die Betriebe könnten endlich wieder atmen und das tun, was sie am besten können: hervorragende Handwerksarbeit leisten.
Erste positive Ansätze seien seitens der Thüringer Landesregierung bereits gemacht – auch auf Drängen der Handwerkskammer hin: Die Überarbeitung der Vergabe-Verwaltungsvorschrift und die Erhöhung der Wertgrenzen ist hier ein erster Ansatz. Weitere deutliche Bürokratieentlastungen müssen jetzt folgen.
Fachkräftegewinnung erleichtern und fördern
Eine der wohl größten Herausforderung ist die Fachkräftesicherung. Das Fehlen qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschwert nicht nur die Bewältigung des Tagesgeschäfts, sondern behindert auch die Umsetzung von Innovationen und die Anpassung an neue technologische Anforderungen.
Immer mehr Betriebsinhaberinnen und -inhaber erreichen zudem das Rentenalter. Zirka 30 Prozent der Betriebsinhaber in den rund 9.300 Ostthüringer Handwerksunternehmen sind 55 Jahre und älter. Damit suchen im Laufe der nächsten zehn Jahre immerhin etwa 2.800 Betriebe einen Nachfolger.
Ein Warnzeichen ist die Tatsache, dass fast jeder 4. der befragten Handwerksunternehmer angibt, eine komplette Schließung in Erwägung zu ziehen. Das würde bedeuten, dass in Ostthüringen mit Sicherheit in den kommenden zehn Jahren mehr als 500 Handwerkbetriebe verloren gehen.
Bei allen Problemen, die die derzeitigen Handwerksunternehmer, die eine Übergabe planen, haben, so darf ein wichtiger Aspekt bei der Nachfolge nicht außeracht gelassen werden. Die Übernahme steht und fällt mit einem potentiellen Nachfolger.
Hier setzt die Handwerkskammer an, um Betrieben sowohl Unterstützungsangebote zu unterbreiten als auch auf Landesebene entsprechende Förderungen einer Unternehmensnachfolge zu mobilisieren.
Eine ganz entscheidende Rolle spielt dabei auch die Förderung potentieller Meisterinnen und Meister. Deshalb hat sich die Handwerkskammer, gemeinsam mit den anderen beiden Handwerkskammern in Thüringen, in den vergangenen Monaten stark gemacht für eine deutliche Entlastung von potentiellen Meisterinnen und Meistern.
Dieses Engagement hat Früchte getragen. So wurde im Thüringer Landtag Anfang Mai beschlossen, dass der Meisterbonus von bisher 1.000 Euro auf 2.000 Euro und die Meistergründungsprämie von 5.000 Euro auf 10.000 Euro ab dem 1. Januar 2026 jeweils verdoppelt werden.
„Das ist ein echtes Signal, dass es sich noch mehr als bisher lohnt, eine Meisterausbildung in Anspruch zu nehmen und anschließend einen bestehenden Betrieb zu übernehmen oder eine Neugründung zu wagen“, so Jacob weiter.
Apropos Meister: Hier hat die Handwerkskammer in den zurückliegenden Monaten ganz neue Ansätze gesucht und gefunden, um passgenaue Angebote für potentielle Interessenten zu bieten. So werden mittlerweile eine Vielzahl von Vollzeitkursen angeboten. Diese Meistervorbereitungskurse - sei es bei den Tischlern, den Elektrotechnikern oder den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern – sind allesamt komplett ausgebucht. Das zeigt, dass er eingeschlagene Weg der richtige ist.
Berufsorientierung und Praktikumsprämie verstetigen
Die Sicherung von Fachkräften setzt aber bereits viel früher an. Der Grundstock wird bereits in den Schulen gelegt. Berufliche Orientierung ist für die Handwerkskammer als auch für die Ostthüringer Handwerksbetriebe essentiell. „Daher machen wir uns für eine Verstetigung der Berufsorientierung Landesstrategie und eine Ausweitung auf alle Schulformen stark“, erklärt Wolfgang Jacob.
Aber auch die Praktikumsprämie ist, neben der Berufsorientierung, ein wichtiger Baustein. Die Einführung in den Sommerferien 2024 war ein wichtiger Lobby-Erfolg des gesamten Thüringer Handwerks. Insgesamt haben im Jahr 2024 thüringenweit 480 Schülerinnen und Schüler teilgenommen und waren rund 800 Wochen im Handwerk aktiv.
Umso erfreulicher ist es, dass die Praktikumsprämie für das Handwerk auf Drängen der Handwerkskammer im Landeshaushalt 2025 mit 150.000 Euro verankert sind, was kein Selbstläufer war.
Handwerkertalk, Netzwerken und Fusion
Die im Bericht des Kammerpräsidenten genannten vier Themenschwerpunkte waren jedoch nur ein Teil der vielfältigen Aufgaben der Handwerkskammer für Ostthüringen. Im Mittelpunkt stehen dabei stets die Mitgliedsbetriebe. Diese zu erreichen, ist für die Handwerkskammer ebenso immens wichtig, wie die Arbeit im Hintergrund.
„Nur wenn unsere Betriebe wissen, was die Handwerkskammer an Leistungen anbietet, können diese Angebote auch intensiv genutzt werden“, macht der Kammerpräsident noch einmal deutlich. Deshalb gibt es auch mit dem Handwerkertalk unter dem Titel „Damit Sie wissen, was wir tun“ ein neues Veranstaltungsformat, dessen Auftakt im März in Altenburg erfolgte. Aufgrund der überaus positive Resonanz wird es am 15. September 2025 eine Fortführung geben; diesmal in Saalfeld.
Aber auch politisch ist die Handwerkskammer in den kommenden Monaten aktiv. So ist am 28. Oktober in Gera erstmals ein gemeinsamer Empfang von Handwerkskammer und IHK unter dem Motto „Starkes Netzwerk für eine starke Region“ geben. „Wir sind uns sicher, dass gebündelte Kräfte und ein gutes Netzwerk für unsere Region noch mehr Vorteile bringen kann“, sieht Wolfgang Jacob echte Chancen.
Gebündelte Kräfte ist auch das Stichwort für einen ganz besonderen Schritt, den die Kreishandwerkerschaften Altenburger Land, Gera und Zeulenroda am 12. Mai gegangen sind. Die 25 Innungen der drei Kreishandwerkerschaften vollzogen die Fusion zu einer einzigen Kreishandwerkerschaft. Sie trägt ab dem 1. Juli 2025 den Namen Kreishandwerkerschaft Altenburg-Gera-Zeulenroda. Damit ist die größte Kreishandwerkerschaft in Ostthüringen und wahrscheinlich in ganz Thüringen entstanden. 550 Innungsbetriebe sind jetzt unter einem gemeinsamen Dach vereint.
Jubiläumsfeier im Zeichen des Ehrenamtes
Zum Abschluss seines Berichtes wies Kammerpräsident Wolfgang Jacob noch auf eine ganz besondere Veranstaltung hin, die im Herbst das gesamte Ehrenamt im Ostthüringer Handwerk in den Fokus rückt.
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Handwerkskammer für Ostthüringen wird es eine Festveranstaltung am 18. Oktober 2025 – auf den Tag genau 125 Jahre nach Gründung der Handwerkskammer für Ostthüringen - im Bio-Seehotel in Zeulenroda geben.
Dies soll ein großes Dankeschön für Handwerkerinnen und Handwerker in Ostthüringen sein, die sich ehrenamtlich engagieren – egal ob in Gesellen- und Meisterprüfungsausschüssen, als Obermeister der Innungen oder als Vollversammlungsmitglieder der Handwerkskammer. Hierzu werden noch separate Einladungen in den nächsten Tagen versandt.
Bevor die derzeitigen Vollversammlungsmitglieder in ihrer letzten Sitzung der Wahlperiode verabschiedet wurden, gab es jedoch noch eine ganze Reihe von wichtigen Beschlüssen zu fassen, die die Richtung der kommenden Monate und teilweise Jahre maßgeblich mitbestimmen werden.
Dazu gehörte unter anderem ein Beschluss zur Errichtung von Gesellenprüfungsausschüssen, der zu einer Entbürokratisierung führt und mit einer Neuausrichtung aktuellen Gegebenheiten in der Bildungslandschaft – insbesondere der beruflichen Bildung – Rechnung trägt.
Titelfoto: Ein Bild der Geschichte: 23 der insgesamt 36 Vollversammlungsmitglieder der Handwerkskammer für Ostthüringen nach der letzten Sitzung in der auslaufenden Wahlperiode.