Konjunkturumfrage 2022
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Frühjahrsumfrage: Energiekrise bremst Erholung im Ostthüringer Handwerk aus

(12.05.2022) Die derzeitige Energiekrise bremst deutlich den dringend benötigten Konjunkturaufschwung im Ostthüringer Handwerk aus. Das geht aus der aktuellen Frühjahrsumfrage der Handwerkskammer für Ostthüringen unter ihren Mitgliedsbetrieben hervor. Zwar hat sich die Geschäftslage gegenüber dem Vorquartal verbessert, von einer Erholung darf trotz dem gefühlten Ausschleichen der Pandemiesituation nicht gesprochen werden. Von einer baldigen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation gehen die befragten Handwerksunternehmen auch in den kommenden Monaten nicht aus.

Die Ostthüringer Handwerksunternehmen bescheinigen mit 84 Prozent eine gegenüber dem Vorjahresquartal um 10 Prozentpunkte verbesserte Geschäftslage. Jeweils 42 Prozent der Betriebe schätzen ihre Situation mit „gut“ oder „befriedigend“ ein. Das Ergebnis liegt immer noch neun Prozentpunkte unter dem Wert des „unbelasteten“ Frühjahres 2019.

Für fast alle Gewerkegruppen ergibt sich gegenüber dem Vorjahr und damit der Erhebung mitten in der Coronakrise eine deutliche Verbesserung der Geschäftslage. Berichteten vor einem Jahr nur 74 Prozent der Unternehmen des gewerblichen Bedarfs von einer guten oder befriedigenden Situation, sind es im Frühjahr 2022 bereits 87 Prozent. Noch vor einem Jahr verwiesen 35 Prozent der Betriebe des Kfz-Handwerks auf eine schlechte Wirtschaftslage. Nunmehr sind lediglich zwölf Prozent unzufrieden. Im Lebensmittelhandwerk befinden sich rund 80 Prozent aller Unternehmen in einem guten oder zumindest befriedigenden Geschäftsumfeld (74 Prozent im Frühjahr 2021). Die deutlichste Steigerung der Zufriedenheitseinstufung kommt aus der Gewerkegruppe der personenbezogenen Dienstleistungen. Hier melden 31 Prozent eine gute Geschäftslage (11 Prozent im Frühjahr 2021) und 53 Prozent eine befriedigende Lagebeurteilung (25 Prozent im Frühjahr 2021). Nach den schweren pandemiebedingten Einschränkungen in diesem Handwerkssektor mit beispielsweise den Friseuren und Kosmetikern, die mit finanziellen Einbußen einhergingen, bietet die offensichtliche Erholung Grund zur Erleichterung und lässt auf eine stabile Fortsetzung hoffen.

Deutlich unterschiedliche Betriebsauslastung

Die Verbesserung der Geschäftslage spiegelt sich auch in der Betriebsauslastung und dem Auftragsbestand wider. Über eine hundertprozentige Auslastung oder sogar darüber hinaus verfügen 36 Prozent der Unternehmen. Dieser Wert liegt schon fast auf dem Vor-Corona-Niveau (40 Prozent im 1. Quartal 2019) und gibt Anlass zur Hoffnung. Eine mehr als 70-prozentige Auslastung der Betriebskapazitäten wiesen 76 Prozent der Befragten aus (Vorjahr 68 Prozent). Die hohen Werte werden durch die überdurchschnittlich stark in der Umfrage vertretenen Bau- und Ausbauhandwerke bestimmt und nur noch durch die Handwerke des gewerblichen Bedarfs erreicht. In den personenbezogenen Dienstleistungen ist knapp die Hälfte aller Unternehmen nur bis zu 60 Prozent ausgelastet.

Der durchschnittliche Auftragsbestand beträgt im Gesamthandwerk zwölf Wochen und erhöhte sich um zwei Wochen gegenüber dem Vorjahr. Dies dürfte allerdings zum Teil auf Engpässe bei der Materialverfügbarkeit zurückzuführen sein. Fast ein Drittel der Ostthüringer Handwerkerinnen und Handwerker sind über zwölf Wochen ausgelastet, im Bauhauptgewerbe sogar 55 Prozent der Unternehmen. Auch in der Gewerkegruppe des gewerblichen Bedarfs meldet die Hälfte aller Betriebe eine Auslastung von zwölf oder mehr Wochen. Insgesamt kann von einer soliden Auftragslage gesprochen werden.

Massive Sorgen für explodierenden Material- und Energiepreisen

Auch wenn die momentane Geschäftslage ein eher positives Bild zeichnet, so geben die Einzelindikatoren Anlass zu deutlichen Sorgen.  So berichten 92 Prozent der Unternehmen von gestiegenen Einkaufspreisen. Diese Entwicklung deutete sich schon in den Vorquartalen an und setzt sich in drastischem Ausmaß fort. Hier zeigt die Energiekrise deutlich ihre Auswirkungen auf das Handwerk. Als Ursache besteht der Effekt einer Erhöhung der Strom- und Gaspreise auf Unternehmen, die Rohmaterialien, wie Zement, Papier, Glas oder Stahl, herstellen. Dadurch gibt es Lieferengpässe und weniger Ware für Handwerksbetriebe. Durch die Lieferkettenverknüpfung wird die Geschäftstätigkeit auch in den nicht direkt betroffenen Betrieben behindert.

Zusätzlich haben die Unternehmen bei den hohen Energiepreisen schon erhebliche Mehrkosten im eigenen Stromverbrauch sowie bei Transporten durch die explodierenden Kraftstoffpreise zu tragen. Es bestehen daher sowohl Probleme die Kosten zu decken, als auch die Materialien zu beschaffen. Für Kunden bedeutet das ebenfalls höhere Kosten und längere Wartezeiten. Dabei konnten lediglich 63 Prozent der Betriebe Preissteigerungen im Verkauf durchsetzen. Im Fazit trifft die Explosion der Beschaffungskosten bei Strom, Gas und Kraftstoff viele Unternehmen empfindlich.

Zukunftserwartungen pessimistisch

Die negativen Auswirkungen der Coronapandemie werden von einer Energiekrise abgelöst. Mit einer baldigen Entspannung am Energiemarkt ist derzeit nicht zu rechnen. Entsprechend negativ fallen die Geschäftserwartungen aus. Nur 16 Prozent der Unternehmen beschreiben diese mit „gut“, jeder vierte Betrieb erwartet eine Verschlechterung.

In den Einzelindikatoren zeigt sich ein differenzierteres Bild. Trotz der negativen Erwartungshaltung beabsichtigen 84 Prozent der Unternehmen ihre Mitarbeiterzahlen beizubehalten.

Fast alle Unternehmen (96 Prozent) erwarten eine weitere Zunahme der Einkaufspreise. Immerhin knapp 80 Prozent wollen deshalb ihre Verkaufspreise anheben und damit die steigenden Einkaufskonditionen weiterreichen. Ungünstige Rahmenbedingungen im Einkauf und bei der Verfügbarkeit von Materialien waren bereits vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine im Handwerk zu spüren und werden sich zunehmend verschlechtern. Keine guten Aussichten also für das Ostthüringer Handwerk.

Warnung vor Wegbrechen handwerklicher Strukturen

„Das Handwerk war stets der Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs im Freistaat Thüringen. Dieser Motor droht nach dem Stocken während der Coronrakrise und einem hoffnungsvollen Anlaufen nun durch den Ukraine-Krieg, die damit verbundenen Energiekrise und Materialknappheit erneut deutliche Probleme zu bekommen“, verbildlicht Wolfgang Jacob, Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen, die derzeitige dramatische Situation.

Die Auftragsbücher des Großteils der Ostthüringer Handwerksunternehmen sind derzeit zwar gut gefüllt.  Gleichzeitig sind steigende Kosten, Materialengpässe, unsichere Lieferketten und dazu die weiterhin schwierige Suche nach neuen Fachkräften eine enorme Herausforderung, die es in den kommenden Monaten zu bewältigen gilt. „Unsere Handwerksunternehmerinnen und –unternehmer haben seit jeher gezeigt, dass sie Probleme anpacken und bewältigen wollen. Aber in der momentanen Situation sind sie aber auch dringend auf entsprechende Unterstützung aus der Politik angewiesen“, appelliert Wolfgang Jacob, an die Entscheider auf Bundes- und Landesebene, den Fokus deutlich stärker als bisher auf die kleinen und mittelständischen Handwerksunternehmen zu legen.

Dafür braucht das Handwerk neben einer deutlich verbesserten Versorgungsicherheit mit Rohstoffen und Material sowie einer spürbaren Entlastung bei den derzeit extremen Energie- und Kraftstoffpreisen auch eine Aufbruchstimmung beim Werben für die duale Ausbildung. Nur so können die vielen künftigen Aufgaben, wie beispielsweise auch der Energiewende, bei der das Handwerk eine Schlüsselposition einnimmt, bewältigen. Nicht zu vergessen sind effizientere und damit schnellere Genehmigungsverfahren sowie ein Abbau von Bürokratie.

„Das Handwerk ist nach zwei Jahren extremer Belastungen durch die Corona-Pandemie und die jetzigen massiven wirtschaftlichen Auswirkungen durch den Ukraine-Krieg am Limit. Deshalb muss nun von allen Entscheidern schnellsten gehandelt werden, um ein Wegbrechen handwerklicher Strukturen zu vermeiden.“, mahnt der Kammerpräsident. „Die derzeit leicht positiven Ergebnisse der Konjunkturumfrage sind mehr als trügerisch.“