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HWK für Ostthüringen

Kammerpräsident Klaus Nützel im großen JahresinterviewAzubimangel, Meisterbrief und Bürokratieabbau

(18.01.2019) Der Alltag des neuen Jahres hat auch die Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer sowie ihre Mitarbeiter bereits wieder eingeholt. Klaus Nützel, Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen, im Jahresinterview über das zurückliegende Jahr 2018 sowie vor allem über die neuen Herausforderungen, die das Jahr 2019 für das Ostthüringer Handwerk bereit hält.

 

Herr Nützel, wie schätzen Sie rückblickend die Situation im Ostthüringer Handwerk im Jahr 2018 ein?

Klaus Nützel: Insgesamt können wir für das Ostthüringer Handwerk eine überaus positive Bilanz für das letzte Jahr ziehen. Die Auftragslage ist beim Gros der Unternehmer nach wie vor sehr gut, was auch die jüngste Konjunkturumfrage gezeigt hat. Auch die Aussichten für 2019 stimmen optimistisch.

Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen?

Klaus Nützel: Das ist ganz klar die Gewinnung des geeigneten Fachkräftenachwuchses im Handwerk sowie die Suche von Nachfolgern für Handwerksunternehmen. Hierauf müssen wir unser aller Augenmerk richten, um das Handwerk in Ostthüringen zukunftsfähig halten zu können.

Wie stellt sich die Situation momentan dar?

Klaus Nützel: Wir haben nach wie vor zu wenig Schulabgänger. Ein Großteil strömt an Hochschulen, statt auf eine fundierte duale Ausbildung zu setzen. Das bedeutet auch, dass immer weniger Bewerber für eine Lehre im Handwerk zur Verfügung stehen. So fehlen uns allein in Ostthüringen jedes Jahr rund 250 Azubis. Das hat fatale Auswirkungen auf das Handwerk von morgen.

Was können Handwerkskammer und Unternehmen tun, um den Fachkräftebedarf zu decken?

Klaus Nützel: Die Handwerkskammer bietet eine Vielzahl von Maßnahmen an, um  ihre Mitgliedsbetriebe bei der Nachwuchswerbung zu unterstützen. Beispiele hierfür sind unter anderem Kooperationen mit Schulen für die Berufsorientierung in unseren Bildungsstätten, das Werben um Nachwuchs auf Bildungsmessen sowie gezielte Werbekampagnen für eine Karriere im Handwerk. Die Handwerksbetriebe ihrerseits sind auf-gerufen, sich mit ihren Erfahrungen hier einzubringen, denn auch ihre Ideen sind gefragt. Schließlich sind es die Betriebe, die hautnah praktische Erfahrungen vermitteln können.

Welche Rolle spielen dabei Praktika in den Betrieben?

Klaus Nützel: Praktika sind nach wie vor die beste Chance, Schulabgänger und Un-ternehmen zusammen zu bringen. Das gegenseitige Kennenlernen und das Austesten des jeweiligen Berufes kann durch nichts ersetzt werden. Wichtig ist dabei, dass potenziellen Bewerber vom Beginn des Praktikums über den Abschluss des Lehrvertrages bis hin zum Lehrbeginn stetig begleitet werden.

Doch das allein reicht oftmals nicht aus. Immer wieder wird die angeblich schlechte Entlohnung im Handwerk ins Gespräch gebracht.

Klaus Nützel: Das sind Argumente aus längst vergangenen Zeiten. Für das Handwerk ist der Mindestlohn kein Thema mehr. Um gute Arbeitskräfte im Handwerk zu finden und zu halten, zahlen die meisten Handwerksbetriebe heute schon Löhne deutlich über dem Mindestlohn. Was das Lehrlingsentgelt betrifft, so stehen wir auch hier nicht schlecht da. Dennoch können Betriebe mit weiteren weichen Faktoren punkten, wie beispielsweise einem familiären Klima im Betrieb. Zudem bietet das Handwerk einzigartige Karrierechancen.

Welche sind das?

Klaus Nützel: Nehmen wir den Meisterbrief oder die Fortbildung zum Betriebswirt des Handwerks. Mit diesen Qualifikationen eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten. In Ostthüringen suchen allein in den kommenden zehn Jahren 15 Prozent der derzeit rund 9.500 Handwerksbetriebe einen Nachfolger. Existenzgründer und Jungunternehmer haben damit die Chance, ein gewachsenes Unternehmen weiter zu führen und so ihre Zukunft mit der Selbstständigkeit in die eigenen Händen zu nehmen.

Dennoch hat das Handwerk oftmals in der Öffentlichkeit noch ein angekratztes Image.

Klaus Nützel: Das hat sich in den vergangenen Jahren schon deutlich geändert – vor allem Dank der Imagekampagne des Handwerks unter dem Motto „Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht. Von neben.“. Umfragen haben gezeigt, dass sich die Wahrnehmung des Handwerks in der Bevölkerung und vor allem bei Jugendlichen deutlich zum Positiven gewendet hat. Damit dies auch weiter so bleibt, ist jeder Handwerker gefordert, seinen Teil dazu beizutragen. Die Handwerkskammer steht dabei jederzeit gern mit entsprechenden Tipps und Unterstützung zur Verfügung.

Die Imagekampagne zeigt also Erfolge. Welchen Anteil daran haben die Innungen?

Klaus Nützel: Die Innungen waren und sind nach wie vor das Fundament, auf dem die Arbeit im Handwerk beruht. Vor allem der enge Zusammenhalt und der Erfahrungsaustausch sind es, was die Innungen stark macht. Wir würden uns jedoch wünschen, dass sich noch mehr Handwerkerinnen und Handwerker in den Innungen engagieren – zum Nutzen aller.

Apropos Engagement. Immer wieder wird das Ehrenamt ins Gespräch gebracht, ohne das der Motor des Handwerks nicht auf Laufen gehalten werden könnte. Stimmt das?

Klaus Nützel: Das ist absolut richtig. Wir brauchen allein im Ostthüringer Handwerker ständig rund 1.000 ehrenamtlich Aktive, sei es für die Abnahme der Gesellen- und Meisterprüfungen, die Arbeit in den Innungen oder in den Gremien der Handwerkskammer und vielem mehr. Hier kann sich jeder Handwerker mit seinem Wissen und Können einbringen. Deshalb mein Aufruf an alle: Engagieren Sie sich im Ehrenamt des Handwerks!

Energiewende, Bürokratieabbau und vieles mehr stehen nach wie vor im Mittelpunkt. Oftmals bergen diese Themen Konfliktpotenzial. Das Handwerk kann nicht alles allein stemmen. Insbesondere die Politik ist hier gefordert. Was sind ihre Wünsche und Forderungen an die Politik im Jahr 2019?

Klaus Nützel: Wir wünschen uns, dass die Politik mit Augenmaß und im Interesse der vielen kleinen und mittelständischen Hand-werksunternehmen mit seinen mehr als 43.000 Beschäftigten im Ostthüringer Handwerk entscheidet. Insbesondere die Steuerlast und vor allem die Lohnzusatzkosten stellen für viele Betriebe ein Problem dar, das Investitionen hemmt.

Außerdem bin ich klar dafür, zuerst die Unternehmen und damit die Menschen in unserem Land zu unterstützen, statt Milliarden in andere EU-Staaten zu pumpen ohne Aussicht auf Erfolg. Es kann doch nicht sein, dass deutsche Arbeitnehmer bis 67 arbeiten sollen, während sie in vielen südeuropäischen Ländern, die mit Schulden zu kämpfen haben, viel früher in Rente gegangen wird. Das ist ungerecht und nicht nur mir völlig unverständlich.

Ebenso erhoffen wir uns von der Politik einen Stopp der Energiepreisspirale. Erneuerbare Energien ja – aber nicht so, dass die Energiekonzerne ihre Gewinne weiter vermehren und die Bevölkerung draufzahlt. Das hat nichts mit Energiewende zu tun.

Aktuell ist auch die Diskussion um den Meisterbrief und die Entlastung künftiger Meisterschüler neu entbrannt. Wie stehen Sie dazu.

Klaus Nützel: Die Abschaffung der Meisterpflicht in vielen Handwerksberufen im Jahr 2004 war ein großer Fehler. Die Zahl der Meisterbetriebe geht zurück. Unternehmen mit einer Eignung zur Ausbildung werden immer weniger. Hier hat die Politik viele Jahre verschlafen. Deshalb ganz klar meine Forderung: Wiedereinführung der Meisterpflicht, wie sie im Jahr 2003 noch war. Wir brauchen die Meisterbetriebe für den Fortbestand der handwerklichen Strukturen. Ohne sie wird es zu einer zunehmenden Ausdünnung der Handwerkerlandschaft in den nächsten Jahren kommen. Die Leittragenden sind die Bürger, die dann noch länger auf einen Handwerker warten müssen.

Inwieweit kann für angehende Meisterschüler hier ein Anreiz gesetzt werden, noch einmal die Schulbank zu drücken?

Klaus Nützel: Förderung heißt hier das Stichwort. Wieso können Hochschulstudenten kostenfrei ihren höheren Bildungsabschluss erwerben, während potenzielle Handwerksmeister ihre Qualifizierung selbst finanzieren müssen. Ich bin ganz klar für eine kostenfreie, staatlich subventionierte Meisterausbildung. Zumindest aber müssen über entsprechende Prämien alle erfolgreichen Meisterabsolventen eine Förderung erfahren, sei es mit einer Meisterprämie im deutlich vierstelligen Bereich oder aber mit einer Meistergründungprämie, für all jene Absolventen, die anschließend einen bestehenden Betrieb übernehmen oder neu gründen. Nur so kann die handwerkliche Struktur erhalten werden.

In diesem Jahr steht auch die Landtagswahl in Thüringen an. Was erwarten Sie von der Politik?

Klaus Nützel: Vor Wahlen werden stets viele Versprechen gemacht. Den Worten müssen aber auch Taten folgen. Wir werden die zurück liegende Legislaturperiode genau beleuchten und schauen, welche Versprechen seitens der Landespolitik auch wirklich eingelöst wurden. Daran müssen sich alle Landtagsabgeordnete messen lassen, wollen sie wiedergewählt werden.

Herr Nützel, abschließend noch zwei Sätze: Was sind Ihre Wünsche für das Jahr 2019?

Klaus Nützel: An erster Stelle steht natürlich die Gesundheit. Danach folgt auf meiner Wunschliste aber gleich, dass das Ostthüringer Handwerk auch in diesem Jahr an die guten Wachstumsergebnisse der vergangenen Jahre anknüpfen kann, die Mitgliedsunternehmen stets gut gefüllte Auftragsbücher und vor allem zahlungswillige Kunden haben. Und natürlich hoffe ich, dass wir die Nachwuchs- und Fachkräftesituation im Ostthüringer Handwerk möglichst schnell in den Griff bekommen. Wenn hier alle Handwerkerinnen und Handwerker gemeinsam an einem Strang ziehen, bin ich zuversichtlich, dass wir auch künftig weiter auf ein solides, modernes, innovatives und boomendes Handwerk in Ostthüringen zurückblicken können.